Online Merker vom 15. Juli 2018 Liederabend Sonja SaricKirchheimer Liedersommer 2018„Im vollen Strom der Zeit“von Gerhard Hoffmann
… unter diesem Slogan fand der diesjährige Kirchheimer Liedersommer (Dozent Bariton Olaf Bär) statt und wurde mit einem hervorragenden Liederabend der Sopranistin Sonja Saric eröffnet. Als Leonora in „Il Trovatore“ gab die 28-Jährige Sängerin im Oktober 2017 an der Oper Graz kurzfristig ihr umjubeltes Debut, ebenso sang sie hier erfolgreich die Figaro-Contessa, die Madame Cortese in „Il viaggio a Reims“ und debutierte als „Maria Stuarda“ in Ostrava. Die junge vielseitige Sängerin entspross der Talentschmiede von Frau Prof. Snezana Stamenkovic an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim, aus derer Gesangsklasse bereits mehrere junge Sänger ihren Weg an diverse Opernhäuser im In- und Ausland fanden. Sonja Saric heimste bereits an zwölf Wettbewerben Preise ein und letztlich ging sie als Siegerin beim Maria Callas Wettbewerb in Athen 2018 hervor. Den Liederabend in der voll besetzten und akustisch idealen Evangelischen Kirche eröffnete die Sängerin mit drei Liedern von Franz Schubert: Du bist die Ruh weich strömend intoniert, Nacht und Träume ohne Lamento auf den Flügeln des Gesangs schwebend, Gretchen am Spinnrad erklang ungestüm beschwörend vorgetragen. Freudvoll und leidvoll – Der du vom Himmel bist – Die drei Zigeuner (Franz Liszt) folgten. Gleich eines kontrolliert brennenden Feuers erhob sich das herrliche Timbre mit dem farbenreichen Mittelregister, zum attraktiven Espressivo ihres tragfähigen Soprans. In jedem Moment wurde die tiefe Verbundenheit der jungen Künstlerin zum Sentiment von Musik und Text, die ausdrucksstarke Auslotung der jeweiligen Gefühlsschwankungen, die Artikulation in Verbindung dezenter Mimik und dem strahlenden Glanz der Augen kund. Stets aufmerksam und hochkonzentriert wurde die Solistin von Barbara Baun begleitet, einer renommierten Pianistin aus kammermusikalischen und solistischen Bereichen und geschätzter Begleiterin internationaler Liedinterpreten. Ausdrucksvoll, nie vordergründig verstand es Baun die Nuancen der jeweiligen Klaviertexturen zu beleuchten, herrliche flexible emphatische Momente instrumental zu bearbeiten, melodisch auszukosten und pianistisch prächtig zu präsentieren. Ein breites Kaleidoskop an Ausdruckskraft und Gestaltungskunst offerierte Sonja Saric während der „Fünf Rückert-Lieder“ (Gustav Mahler) in geradezu exemplarischer Vortragsweise. Feinsinnig, melancholisch wob die Stimme Liebst du um Schönheit, ihr Sopran verlor selbst in der hohen Tessitura nicht an Farben und atemberaubend erklang Um Mitternacht. Traumhaft phrasiert, in hoffnungsvollem Optimismus vokal prächtig durchleuchtet der Ausklang Ich bin der Welt abhanden gekommen. Fürwahr der Rezensent wähnte sich ebenso! So und nicht anders sollte es sein, dass Künstler berühren, zu Tränen rühren! Den offiziellen Abschluss des wahrhaft beglückenden Vortrags bildeten vier Pretiosen aus der Feder von Sergej Rachmaninows in Originalsprache gesungen. Hier wurden wiederum deklamatorisches Sentiment offenbar u.a. bei Zdes´khorosho oder umflort von sehnsuchtsvoller Melancholie bei Ne poy, krasavitsa – O sing, du Schöne, sing mir nicht Georgiens wehmutsvolle Lieder. Dramatische wie edel betörend-lyrische Töne schenkte Saric dem finalen emotionsreichen Lied Davno l´, moy drug. Das aufmerksame Publikum auf teils knarrenden Kirchenbänken spendete den beiden Künstlerinnen euphorisch Beifall und lautstarke Bravos und wurde mit einer Rachmaninow-Wiederholung sowie Es muss ein Wunderbares sein (Liszt) in die laue Sommernacht der pfälzischen Toskana entlassen.
Die Rheinpfalz vom 16. Juli 2018 Zart und leidenschaftlichDas Klavier-Gesangduo Sonja Saric und Barbara Baun eröffnet den Kirchheimer Liedersommer in der Protestantischen Kirchevon Gabor Halasz
„Im vollen Strom der Zeit“ lautet in diesem Jahr das Motto des Kirchheimer Liedersommers. Zum Auftakt gab es das Konzert der Sopranistin Sonja Saric und der Pianistin Barbara Baun in der Protestantischen Kirche.Im Mittelpunkt steht eine öffentliche Meisterklasse für Sänger und Pianisten unter Leitung des Dresdner Baritons und Hochschulprofessors Olaf Bär, eines der weltweit führenden Opern- und Liedsänger. Weitere Programmpunkte sind eine Liedwerkstatt unter Mitwirkung von Schülern des Leininger Gymnasiums und Studierenden der Mannheimer Musikhochschule sowie Dan T. Fahlbuschs Ausstellung „Industrie-Kultur“. Den Schlusspunkt setzt kommenden Freitag in der Protestantischen Kirche das Konzert der Teilnehmer am Meisterkurs. Im Eröffnungskonzert kam es zur anregenden Begegnung mit einem vorzüglichen Liedduo. Sonja Saric, Absolventin der Mannheimer Musikhochschule, und Barbara Baun (Professorin ebendort) standen bei Werken von Schubert, Liszt, Mahler und Rachmaninow mit bedingungslosem Willen zum Formen für hoch entwickelte vokale und instrumentale kammermusikalische Kultur ein. Die aus Serbien stammende junge Sängerin Saric ist Siegerin beziehungsweise Preisträgerin einer Vielzahl von Wettbewerben wie dem Athener Callas-Wettstreit. In Graz sang sie bereits große Rollen und ist auch schon an führenden Bühnen aufgetreten. Auf jeden Fall sehr bemerkenswert erschien ihre schön timbrierte, außergewöhnlich sonore und obertonreiche Stimme von hellem Glanz. Hier gab es allerdings Konflikte mit der Akustik des relativ kleinen Kirchenraums mit seinen steinernen Mauern. Für die Klangdimensionen des Kunstlieds wirkte so Einiges zu gewaltig und auch scharf. Um Missverständnissen vorzubeugen: Bei Schuberts „Gretchen am Spinnrade“ wurde die Sängerin dem Emotionsgehalt von Musik und Text uneingeschränkt gerecht. Auch war die opernhafte Dramatik ihres Vortrags ohne Einschränkung begründet. Während des gesamten Programms nahm sie durch exquisite Abtönungen, Einfärbungen und dynamische Abstufungen („messa di voce“), durch Zwischentöne und Fahlklänge (Liszts „Drei Zigeuner“) sehr für sich ein. Erinnert sei unter vielem anderem an Schuberts „Nacht und Träume“, an „Es muss ein Wunderbares sein“ von Liszt und an Mahlers Rückert-Lied „Ich atmet einen linden Duft“. Apropos Mahler: In „Um Mitternacht“ teilte sich der Mahlersche Weltschmerz bewegend mit, und nicht zu vergessen das Pathos des Vortrags bei Rachmaninow. Im zweiten Teil hatte Saric übrigens mehr Kontrolle über die Klanggewalt ihres Organs als zuvor.
Jeder Anerkennung würdig war Barbara Bauns Klavierpart, die als fantasievolle, hoch expressive, ungemein differenziert spielende und auch virtuose Liedgestalterin glänzte. Man darf von einer suggestiven Erzählerin von Geschichten am Konzertflügel sprechen.
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Die Rheinpfalz vom 20. Juli 2018 Ein Abend der GegensätzeKirchheimer Liedersommer: Teilnehmer des Meisterkurses geben Werkstattkonzert im Weingut KolbVon Joerg Schifferstein
Krasse Gegensätze haben das Werkstattkonzert des Kirchheimer Liedersommers am Mittwoch im Weingut Kolb bestimmt. Teilnehmer der Meisterkurse für Liedgestaltung sind das Wagnis eingegangen, Lieder uraufzuführen, deren Texte Schüler des Leininger-Gymnasiums geschrieben haben und die von Kompositionsstudierenden der Musikhochschule Mannheim in Musik verwandelt wurden. Dazwischen waren Kunstlieder von Schubert, Schumann oder Brahms zu hören. Ein gelungener Spagat zwischen neuen und alten Formen. Der Zuhörer ist gefordert, er muss sich einlassen auf teils sehr moderne Klänge, auf Tonfolgen, die dem Ohr nicht unbedingt schmeicheln, die allerdings die Assoziationen eingefangen haben, die bei den Komponisten geweckt wurden, als sie die Texte gelesen haben. Sicher werden die acht uraufgeführten Werke nicht den Nachhall haben wie die Lieder bekannter Komponisten, die teils mehr als zwei Jahrhunderte überdauert haben und immer noch gesungen werden. Doch das ist auch nicht die Kernaussage, die sich durch dieses Werkstattkonzert beinahe automatisch ergibt.Die Musik ist ein Entwicklungsprozess, ein Spiegel der Zeit, eine Auseinandersetzung mit der Umwelt und deren Themen. So wundert es auch nicht, dass mediale Fragen, wie beispielsweise der Umgang oder besser sogar die Abhängigkeit von Computer, Mobiltelefon und Internet gleich mehrfach in den Texten zu finden sind. Sinnfragen werden von den Autoren der verschiedensten Verse gestellt, Zustände und Lebensumstände beklagt. Beispielsweise von Susann Birkenhagen, deren Gedankengänge der Bariton Buyan Li aus China – begleitet von Anna Anstett und Annalisa Orlando am Klavier (vierhändig) – singt. Die Anforderungen, die der 1994 geborene Komponist Jonathan Schmieding an die Ausführenden stellt, sind enorm. Auf staccatohaften Klavierklängen muss der Sänger lange, gezogene Töne aufbauen, dabei sind die Harmonien teils sehr anstrengend gewählt. Schmieding wird allerdings den Worten gerecht, davon kann sich der Zuhörer anhand des wirklich gut gestalteten Begleithefts des Werkstattkonzerts überzeugen. Wer mag, kann mitlesen und das Geschehen auf der Bühne erfassen. Sehr gelungen ist auch die Mondnacht von Schumann, die auf einem Gedicht von Eichendorff basiert. Sie wird dem Text „Ohnmacht“ von Maelle Huguet gegenübergestellt. Versetzt lesen die beiden Rezitatorinnen Maelle Huguet und Nadja Kaiserseder die Texte, bevor die überzeugend agierende Sopranistin Giulia Scopelliti das Kunstlied zum Besten gibt. Es sind acht solche Blocks, in denen Lieder aus der Vergangenheit solchen neuen Kompositionen gegenübergestellt werden. Jede Begegnung von Musik und Text ist eigenes Wagnis, was dem Motto des Werkstattkonzerts „Darum lasst uns alles wagen“ bestens gerecht wird. Eine solche Gegenüberstellung sticht aus dem Programm dann aber doch heraus: Es ist die Komposition Regina Litvinovas, die auf einem Text von Johanna Riedel mit dem Titel „Sternenhimmel“ basiert. Hier kommt neben dem Flügel, den Litvinova selbst bedient, auch ein Synthesizer zum Einsatz, die Rezitation übernimmt dabei Christian Scheuber. Waren schon manche Klänge, die dem Flügel von Klavierbaumeister Josia Rexze entlockt wurden, fordernd für das Ohr, so lotete diese Komposition wahrlich die Grenze des musikalisch Erfassbaren aus. Trotz der vielen unterschiedlichen Komponenten, die in diesem Konzertprogramm zusammengefügt waren, strebte das Geschehen auf der Bühne einem Höhepunkt entgegen, als alle Sänger, neben der Sopranistin Scopelliti auch die japanische Sopranistin Ayumi Futagawa zusammen mit Buyan Li am Ende des Konzerts „Traum durch die Dämmerung“, vertont von Richard Strauss (1864-1949), darboten. Gewagte Tonfolgen mit angenehmen Melodien zu verbinden, dieses Wagnis wurde am Ende mit dem Applaus der begeisterten Zuhörer belohnt: für die schreibenden, komponierenden, singenden und musizierenden Akteure gleichermaßen.
Die Rheinpfalz vom 23. Juli 2018 Kleiner Pflanze Kraft verliehen Großartiges Abschlusskonzert des Kirchheimer Liedersommers am FreitagabendVon Joerg Schifferstein
Ein großartiges Abschlusskonzert ihres Meisterkurses bei Professor Olaf Bär haben die jungen Sängerinnen und Sänger geboten, die während des Kirchheimer Liedersommers an ihrer Präsentationstechnik für Kunstlieder gearbeitet hatten. Am Freitagabend lauschten 60 Zuhörer in der protestantischen Kirche in Kirchheim den Vorträgen, die erwarten lassen, dass mancher der Interpreten in Zukunft auf sich aufmerksam machen wird.Drei Sopranistinnen und zwei Baritone gestalteten den Abschluss des von Barbara Baun organisierten Liedersommers, der bereits im Laufe der Woche während der öffentlichen Proben und während eines überaus interessanten Werkstattkonzerts eine Lanze für das Kunstlied in althergebrachter, aber auch sehr moderner Form gebrochen hatte (wir berichteten). Einige der Zuhörer am Freitag hatten die Probenarbeit von Olaf Bär in der Grundschule beobachtet, sie konnten am besten beurteilen, welche teils enormen Fortschritte die jungen Sänger gemacht haben. Für andere war es ein großartiges Konzert aufstrebender junger Interpreten.Mit „Jemand“ (Myrthen op. 25) eröffnete Georgia Capello, begleitet von Chanmi Lee, das Konzert. Die Sopranistin glänzte mit einer ausbaufähigen Stimme, gestaltete gefällig zwei weitere Lieder von Felix Mendelssohn (Neue Liebe op. 19, Nr. 4 und Anderes Maienlied op. 8, Nr. 8). Manches wirkte verhalten, die Interpretation zurückhaltender als bei den übrigen Sängern. Dennoch belegte schon dieser Einstieg die große Klasse, die alle Teilnehmer des Meisterkurses schon vor dieser Woche voller Intensivproben erreicht und jetzt vervollkommnet hatten. Aus dem Programm stach Robin Grunwalds Vortrag von „The Roadside Fire“ (Songs of Travel Nr. 3) von Ralph Vaughan Williams heraus, eines von zwei englischen Kunstliedern. Der junge Bariton wagte sich als einziger zudem an das Werk eines Zeitgenossen, das Lied „Wir ziehen treulich auf die Wacht“ von Aribert Reimann (geb. 1936). Reimann lehrte an der Hochschule der Künste in Berlin und gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart. Entsprechend modern klang auch das gewählte Lied, das teils auf Sprechgesang zurückgreift. Grunwald wirkte nicht durch Volumen und Kraft, sondern durch seinen gewählt zurückhaltenden Vortrag, was ihm viel Applaus des Publikums brachte. Zu diesem trug maßgeblich auch Mayu Yamauchi am Flügel bei, die wohl die einfühlsamste Begleiterin des Abends war. Die jungen Pianistin entlockte dem Instrument sanfte Klänge, bestach durch einen gefühlvollen, bedachten Anschlag – sehr beeindruckend. Deutlich kraftvoller, dafür aber mächtiger spielte Anna Anstett, was wiederum Sängerin Felicity Förster sehr entgegenkam. Die junge Sopranistin glänzte mit Stimme und Bühnenpräsenz gleichermaßen bei Liedern von Hans Pfitzner (Im Herbst op. 9 Nr. 3, Hast du von den Fischerkindern op.7 Nr. 1) und Erich Korngold (For The Rain It Raineth Every Day, Songs of a Clown Nr. 5). Förster weiß, wie sie ihr Publikum für sich einnimmt, sie verleiht dem Kunstlied eine gewisse Arienhaftigkeit, für manchen Zuhörer vielleicht etwas zu heftig, insgesamt aber sehr gefällig, auch hier großer Applaus. Wirklich großartig sang Hae Yeon Lee, die von Chanmi Lee begleitet wurde, „Kornblumen“ von Richard Strauss. Großes Volumen feinfühlig eingesetzt, bestechend in der Aussprache, ein makelloser Vortrag. Auch beim „Elfenlied“ von Hugo Wolf und Edgar Griegs „Ein Traum“ (op. 48) konnte die Sopranistin restlos überzeugen. Den fulminanten Schlusspunkt des Abends setzte Buyan Li mit Schuberts „Ganymed“ sowie der „Fußreise“ und „Seemanns Abschied“ von Hugo Wolf. Noch in den Proben zurückhaltend agierend, hat sich Li, der von Yeon Seo Ra großartig begleitet wurde, als Liedgestalter hervorgetan. Wie kaum ein anderer Akteur des Abends wusste er zu überzeugen durch perfekte Artikulation, bestechende Dynamik, Ausdruck und enormen Gestaltungswillen. Vom Publikum gab’s langanhaltenden Applaus. Was alle Sänger geschafft haben, ist, „der kleinen Pflanze Kunstlied Kraft zu verleihen“, wie es Olaf Bär in seinem Schlusswort zusammenfasste.
Die Rheinpfalz vom 18. Juli 2018
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