Die Rheinpfalz vom 1.8.2016                                                     

Beeindruckend                                                                                           

von Roland Happersberger

Das deutsche Kunstlied von Franz Schubert bis Hugo Wolf ein alter Hut? Dass dem nicht so ist, beweist Barbara Baun mit ihrem Kirchheimer Liedersommer. Alle zwei Jahre führt er Musikstudenten an eine spezifisch deutsche, höchst differenzierte Gestaltungsfähigkeit verlangende Kunstform heran, die noch immer zu den Menschen spricht.

Dieses Mal war die Ernte besonders groß – wenigstens in zweierlei Hinsicht: Zum einen hat die erfolgreiche Aufforderung an junge Menschen, neue Lieder zu schaffen, mit Schülern als Textern und Studenten als Komponisten, ein hochinteressantes, von jungen Interpreten mit großem Ernst gestaltetes Werkstattkonzert ermöglicht. Das ist ein Projekt, das unbedingt weiterverfolgt werden sollte. Zum anderen ist es Graham Johnson gelungen, ungemein viel Gestaltungskompetenz zu wecken: Mehr als sonst brachte das Abschlusskonzert phänomenal gute Interpretationen; von einigen der Sängerinnen wird man gewiss noch hören.                                                                                                                                                                                                                                                                                                               

Die Rheinpfalz vom 26.7.2016                                                      

Liedkunst                                                                                                

Der fabelhafte Start des Kirchheimer Liedersommers                                  von Sigrid Feeser

Ein idyllisch gelegener Ort an der Weinstraße, eine blitzblanke alte Kirche und Interpreten, die ihr Fach verstehen: Mehr brauchte es nicht, um in der protestantischen Andreaskirche den Kirchheimer Liedersommer angemessen zu eröffnen – in diesem Jahr mit Liedern von Robert und Clara Schumann, gesungen von der fabelhaften Sibylla Rubens, am Klavier begleitet von Barbara Baun.

Liederabende sind die stillen Hochämter im Konzertbetrieb. Immer ein wenig auch Minderheitenprogramm für den Kenner – zu konzentriert, zu fordernd, zu wenig spektakulär? Man weiß es nicht.Jedenfalls war es eine superbe Idee von Barbara Baun und den Sängern Philippe Huguet und Dominik Wörner vor fast zehn Jahren den Konzert und Meisterkursen für Liedgestaltung gewidmeten Kirchheimer Liedersommer ins Leben zu rufen.Kollegen wie Christoph Prégardien und Roman Trekel, Diana Haller und die junge Annelie Sophie Müller waren hier schon zu Gast, jetzt also die als exquisite Lied-und Konzertsängerin bekannte Sibylla Rubens, die ein knappes Stündchen mit Liedern von Robert und Clara Schumann zu einem kleinen „Meisterkurs“ fürs Publikum machte – dem man nur „Mit Staunen und Vergnügen“ (Motto des Liedersommers) zuhören konnte.

Hier ist die Rede von jener Perfektion, die so tut, als sei das alles ganz einfach, naturwüchsig sozusagen. Sibylla Rubens perfekt geführter, farb- und nuancenreicher Sopran agiert wie ein Präzisionsinstrument, Gestaltungswille und Stilsicherheit sind auf gleicher Höhe. Opernhafte Zuspitzungen verbieten sich bei soviel werkadäquater Delikatesse von selbst. Da lässt sie das letzte Lied aus „Frauenliebe und -leben“ („Nun hast du mir den ersten Schmerz getan“) nicht gefühlig enden, sondern, man kann nur staunen, gleichsam ins Offene auslaufen, von Barbara Baun schön aufgenommen in dem langlangen, die Spannung abbauenden Klaviernachspiel: Soll einer mal nachmachen.

Innig ohne larmoyant zu sein, entschieden, ohne aufzutrumpfen, uneitel und strahlend frisch klingt diese fein lasierte „Frauenliebe“. Wenn ein Wort wie Geschmack in der Kunst nicht so zweideutig-belastet wäre, es würde auf Sibylla Rubens Gesangsstil passen. Der passende Zugang ist das auch zu den eher schlicht gehaltenen sieben Liedern nach Gedichten der selbst von Goethe geschätzten deutsch-russischen Dichterin Elisabeth Kulmann, die von 1808 bis 1825 lebte, also gerade mal 17 Jahre alt wurde. Zu Recht darf in so einem Programm die kongeniale Liedkunst der Clara Schumann nicht fehlen, beginnend mit der mit fast untertrieben sanfter Ironie vorgetragenen Heine-Vertonung „Sie liebten sich beide“, gefolgt von Geibels „Lotosblume“ und den gemeinsam mit Robert komponierten „Liebesfrühling“-Liedern „Er ist gekommen“ und „Liebst du um Schönheit“ (beide Rückert) – große Liedkunst allemal. Von Clara Schumann auch die passende Zugabe: „Beim Abschied“.                                                                                                                                                                                                                                                                         

Die Rheinpfalz vom 30.7.2016                                                                     

Wo neue Lieder wachsen                                                              Werkstattkonzert beim Liedersommer mit Klassikern und Neukompositionen Mannheimer Studenten – Texte Grünstadter Schüler       

von Roland Happersberger

Ganz Außergewöhnliches ist der Kirchheimer Pianistin Barbara Baun mit ihrem Liedersommer gelungen: Junge Musiker verbinden Wiegendrucke des Kunstlieds wie Schuberts „Gretchen am Spinnrad“ mit neuen Liedern, die von Mannheimer Musikstudenten komponiert und von Grünstadter Gymnasiasten getextet wurden – Musik also, die ganz nah dran ist an der Zeit und der Region. Das Werkstattkonzert, das diese Kombination am Donnerstagabend hören ließ, war hochinteressant und schon allein wegen des spannungsvollen Ernstes, mit dem die jungen Künstler sämtlich am Werk waren, ein intensives Erlebnis.

Geradezu fluchtartig drängt das Publikum, von etlichen schweren Regentropfen gescheucht, vom Umtrunk im Hof des Weinguts Kolb in die Scheune. Einige rasch herbeigetragene Stühle sichern jedem einen Sitzplatz. Hier spielt sonst das örtliche Laientheater. Dessen erhöhte Bühne zu benutzen, verbot sich aber aus akustischen Gründen. So steht der Flügel vor der alten Bruchsteinmauer, die Szenerie ist sparsam, aber stimmungsvoll beleuchtet – trotz der stickigen Luft gute Voraussetzungen für Konzentration und Versenkung.Barbara Baun führt mit klugen, essayistischen Gedanken in das Konzert ein. Was so ungewöhnlich scheine, dass hier nämlich Werke ganz junger Menschen zu hören sind, sei es gar nicht: „Es ist 200 Jahre her, dass Franz Schubert seine ersten Lieder schrieb. Er war 17, als er ,Gretchen am Spinnrad’ und 18, als er den ,Erlkönig’ komponierte.“ Ungefähr so alt waren auch die Grünstadter Gymnasiasten, die 16 lyrische Texte in Deutsch und Englisch vorlegten, aus denen sieben Studenten der Kompositionsklasse von Professor Sidney Corbett an der Mannheimer Musikhochschule neun auswählten und in Musik setzten. Baun: „Die Sprache damals und heute ist unterschiedlich. Aber die Geschichten gleichen sich doch.“ Studenten der Liedklasse Barbara Bauns unternahmen es, die teilweise ungemein schweren Kompositionen mit Akribie und Sorgfalt einzustudieren und auf einem insgesamt ungemein beeindruckenden Niveau aufzuführen. „Die haben teilweise geflucht, als sie gesehen haben, worauf sie sich eingelassen haben“, berichtete Barbara Baun der RHEINPFALZ.

Insgesamt bot das lange, aber niemals langweilige Programm 18 alte und neue Lieder, so dass wir nur in Einiges näher hineinschauen können. Natürlich interessierte zuerst das Neue. Vieles ist in Form eines Melodrams – also gesprochener Text mit Begleitmusik – oder Rezitativs, in dem das Klavier im Sprechgesang sozusagen die kommentierenden Satzzeichen beiträgt – komponiert, vorwiegend atonal, nur manchmal tritt als Kontrast, den der Text nahelegt, das weiche Melos amerikanischer Liebespopsongs hinzu. Insgesamt ist die Musik vorwiegend spröde, wenig gefällig. Das ist von den komponierten Texten durchaus gedeckt. Zwar verspricht das Programmheft „Lieder, die eine heitere, frohsinnige Sicht auf die Welt zum Inhalt haben“, doch ist Etliches ganz anders geartet: Das leere Warten in einem Flughafenhotelaufenthalt (Paul Feldmann), die wortreich schweifende Rede über „Sinnlose Kriege“ (Johanna Riedel), immer wieder Kommunikationsprobleme (Niklas Engelhardt) trotz Facebook und Whatsapp (Judith Zander), um nur einiges zu benennen.

Dabei zeigt sich, dass sobald ein Text in seiner sprachlichen Form poetisch anrührende Qualität und Dichte erreicht, wie etwa in Katharina Kremers’ „Inner Demon“, sogleich auch die Komposition sich inspirierter, bezwingender, mitnehmender gestaltet. So war die Uraufführung dieses von Alfredo de Vecchis vertonten Liedes durch die Sopranistin Violetta Hellwig und die Pianistin Soyoung Kim zweifellos eines der Glanzlichter des Konzerts. Hellwig wusste das mit großer Spannung zu singen.

In Erinnerung bleiben werden vielleicht auch zwei Schubert-Lieder in der Art, wie sie die zweite Sopranistin, Alina Wunderlin, vortrug – mit wesentlich weniger Kunstmitteln als ihre Kollegin, in ganz verhaltenem Vortrag. Sie machte fast nichts im gestalterischen Sinn, und doch wusste sie die existenzielle Verstörung des „Meine Ruh’ ist hin, mein Herz ist schwer“ intensiv mitzuteilen und „Du bist die Ruh“ mit bezwingender Intensität zu vergegenwärtigen.

Timo Schabel war in alten und neuen Liedern der stimmkräftige, eher gemüthaft-gutgelaunte als problematisierende Interpret, wie seine Kolleginnen bestens bei Stimme, und in den neuen Liedern wie sie stets sorgfältig und ernst. Alle drei Pianistinnen – außerdem Annalisa Orlando und Anna Anstett – begleiteten sicher, sinnvoll und klanglich erfreulich, wobei besonders Letztere immer wieder durch ausgefeilte Details aufhorchen ließ. Überraschung zum Schluss: Kirchheims Bürgermeister Robert Brunner hatte den Wort- und Musikautoren von der Gemeinde gestiftete Anerkennungshonarare mitgebracht.                                                                                                                                                                                                 

Die Rheinpfalz vom 1.8.2016                                                                         

Große Begabungen überraschen bei Liedersommer                          Abschlusskonzert des Meisterkurses von Professor Graham Johnson mit sechs jungen Sopranistinnen und einem Bass – begeisternd gut                       

von Roland Happersberger

Begeisternd gut, mehr als bei manchem vorherigen Mal, war am frühen Samstagabend das Abschlusskonzert des Kirchheimer Liedersommers. Die Teilnehmer des Meisterkurses mit dem englischen Professor Graham Johnson – sechs Sopranistinnen, ein Bassist und sechs Pianistinnen und Pianisten – stellten sich einem freilich nicht allzu großen Publikum in Kirchheims protestantischer Kirche vor. Alles war hörenswert, hatte professionelles Niveau. Wenigstens vier der Sängerinnen waren so gut, dass es durchaus sein kann, dass man noch vieles von ihnen hören wird – und dabei so unterschiedlich in ihrer Art, dass es schwerfiel, einer von ihnen die Krone zu geben.

Da war zunächst, das Konzert eröffnend und beendend, Alina Wunderlin, die nochmals, wie schon beim Werkstattkonzert am Donnerstag, Schubert „Gretchen am Spinnrad“ – Goethes berühmtes „Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer“ aus dem Faust in der Vertonung Franz Schuberts sang. Ihre Stimme, nicht groß, sondern schlank und anrührend fein, ist ganz klar. Wunderlin macht fast nichts, sie vertraut einem herrlichen Understatement, in dem winzigste Ausdrucksnuancen ein Höchstmaß an Spannung erzeugen. Es ist genau dasselbe Understatement wie in Goethes betont volkstümlicher Sprache – und auf keine andere Weise könnte die existenzielle Verunsicherung, die dieser Text so großartig aussagt, in Musik vermittelt werden. Jede Silbe ist dabei klar verständlich; Anna Anstett ist – wie noch mehrfach – eine unauffällig, aber ungemein lebendig und klug begleitende Partnerin am Klavier. Dass Alina Wunderlin auch ganz anders kann – verschmitzt, ironisch und der großen Gebärde, des plakativen Effekts fähig – beweist sie am Schluss des Konzerts mit „Ich hab’ in Penna einen Liebsten wohnen“ von Hugo Wolf.Zwischen Schubert und Wolf ist das Konzert aufgespannt, in stilistisch zusammenstimmende Abteilungen gegliedert, die Professor Johnson jeweils mit ebenso gutgelaunten wie instruktiven Bemerkungen zu erschließen weiß.

In der Abteilung Schubert stellen sich außerdem vor: Lucia Revert, von Fernando del Olmo begleitet, mit dem „Lied der Delphine“. Lucia Revert singt das sehr opernhaft, klanglich prachtvoll und stark; ihr Forte ist wohlklingend und reich nuanciert, technische Schwierigkeiten elegant meisternd. Sie führt ihre Stimme sehr instrumental, weswegen man nur wenige Worte verstehen kann. Der Pianist spielt lebhaft und farbenreich. Dann: Violetta Hellwig, begleitet von Soyoung Kim, ebenfalls schon vom Werkstattkonzert her bekannt, mit Goethes Lied der Mignon „Nur wer die Sehnsucht kennt“ und „An den Mond in einer Herbstnacht“. Die Sängerin weiß eine reine und klare Stimme durchaus vielfältig nuanciert gestaltend einzusetzen, gleichwohl wirkt ihr Vortrag zu neutral, zu distanziert, um wirklich zu packen. Die Pianistin ist hauptsächlich daran interessiert, impressionistische Klangvaleurs herauszustellen, spielt sehr überlegen und exakt.

Nun: Der griechische Bass Dionysios Tsausidis mit Anna Anstett am Klavier und dem „Erlkönig“, Goethes vielleicht berühmtester Ballade. Drei redende Personen sind hier stimmlich unterschiedlich zu charakterisieren: der besorgte Vater, das fiebernde Kind, das Locken des Erlkönigs. Dionysios Tsausidis fasst das ganz direkt und dramatisch auf, besonders das verführerische Säuseln der Spukgestalt bringt er eindrucksvoll heraus. Anna Anstett begleitet hochdramatisch, stellenweise fast zu laut. Ganz eindrucksvoll: die Schlusszeile.

Jetzt, in der zweiten Abteilung – Schumann und Umgebung – die zweite ganz große Erscheinung des Konzerts: Ahreum Han, mit Yeowon Kim am Klavier, singt eine Heine-Vertonung von Clara Schumann: „Sie liebten sich beide“. Eine große, eine volle, eine hochdramatische, ausdrucksvolle Stimme zeigt sich, indem sie sich intensitätssteigernd bremst. Das ist das Spannendste bisher. In zwei Liedern von Richard Strauss verstärkt Ahreum Han diesen Eindruck noch: Da gibt es so viele unterschiedliche, der Ausdruckssteigerung dienende Klangvaleurs und eine solche Versenkung in das Auszusagende, so viel Persönlichkeit, die in die Interpretation eingebracht wird, dass man nur staunend zuhören kann. Und auch in dem bezaubernden „Prelude“ von Landon Ronald beweist sie bemerkenswerte künstlerische Vielschichtigkeit, indes Youwon Kim das Klavier mit großer Gebärde klanglich blühen lässt.

Seunghee Kho, von Aaron Lott am Klavier begleitet, steht dem kaum nach. Sie singt zwei Debussy-Lieder strahlend in den Höhen, rundet die Stimme wunderbar. Auch wo sie einen scharfen, harten Ausdruck wählt, ist sie durchaus mannigfaltig im Ausdruck, kann ungemein elegant singen. In „Epheu“ von Richard Strauss verschwendet sich ihre reiche Stimme üppig, kostbar und prachtvoll; doch scheint ihr intensiv forderndes Forte nicht wirklich von Text gefordert zu sein. Aaron Lott, der schon verschiedentlich als sensibler Begleiter angenehm aufgefallen ist, gestaltet auch den leidend-leidenschaftlichen Duktus, das Puccinihafte der Debussy-Lieder vorzüglich.

Schließlich: Karola Pavone mit Boris Radulovic am Flügel und zwei Hugo-Wolf-Liedern nach Goethe („Kennst du das Land?“) und Eichendorff („Nachtzauber“) . Es ist die opulente Klangpracht der Salonmusik, die hier hereinspielt. Beide Künstler lassen sich Zeit, erlesene chromatisch gebrochene Klänge zu zelebrieren. Die Sängerin vermag alle Register höchst kraftvoll zu ziehen, sie hat ein weites, mächtiges Forte, und sie setzt ihre Qualitäten mit Vergnügen ein. Es ist ein vielschichtiges Spiel aus behaupteter Naivität und Raffinement, das Karola Pavone genussvoll zelebriert. Begeisterter Applaus.                                                                                                                                                                                                                           

Die Rheinpfalz vom 11.7.2016                                                                   

„Auch Schubert hat ,Neue Musik`komponiert“                                          Premiere einer Schüler-Studierenden-Werkstatt am Leininger-Gymnasium – Vertonte Texte werden beim Kirchheimer Liedersommer uraufgeführt       

von Anja Benndorf

„Won’t you please come talk to me? Hold me casually“, beginnt Niklas Engelhardt im Musiksaal des Leininger-Gymnasiums (LG) in Grünstadt sein Gedicht „Duett“ vorzutragen. Eine Mitschülerin kommentiert, dass der Titel sehr passend sei, weil zwei Menschen im Mittelpunkt stünden. Student Friedrich Stockmeier hat’s vertont. Insgesamt neun, von jungen Leuten getextete und komponierte Stücke werden beim diesjährigen Kirchheimer Liedersommer uraufgeführt.

Die Idee zu der Schüler-Studierenden-Werkstatt im Vorfeld hatte Pianistin Barbara Baun, Mitbegründerin der 2007 ins Leben gerufenen Konzertreihe. Der Workshop hatte vergangene Woche Premiere. „Die erste Blütezeit des Klavierliedes mit Franz Schubert liegt genau 200 Jahre zurück, doch waren auch diese Klassiker mal ,Neue Musik‚“, erläutert Baun die Intention, dem im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindenden Meisterkurs eine Lieder-Werkstatt hinzuzufügen. Schubert habe seine ersten Werke als 14-Jähriger komponiert, und so sollten bei einem Konzert im Weingut Kolb unter dem Motto „Lieder? …mit Vergnügen!“ den klassischen Stücken Lieder der heutigen jungen Generation gegenübergestellt werden. „Das ist aufregend“, findet Baun.Nachdem Niklas sein „Duett“ vorgelesen hat, wird es von Tenor Timo Schabel gesungen. Am Klavier sitzt Kim Soyoung. Die Musik wirkt zurückhaltend und enthält kaum Bässe. Mucksmäuschenstill ist es. Insbesondere Niklas, der seinen Text „in einer halben Stunde heruntergeschrieben“ hat, hört ganz versunken zu. „Ich habe dieses Gedicht ausgesucht, weil es ein Gefühl beschreibt, das jeder mal haben kann“, sagt Stockmeier. Wochenlang habe er den Text mit sich herumgetragen, überlegt, wie er ihn musikalisch umsetzen soll. Schließlich habe er sich für eine reduzierte Variante entschieden, die zum Inhalt passe. Als eine Schülerin bemerkt, dass einige Zeilen weggelassen wurden, erläutert der Student, er habe eine eigene Lesart entwickelt.

Stockmeier und sechs Kommilitonen aus der Kompositonsklasse von Professor Sidney Corbett an der Musikhochschule Mannheim konnten aus 16 lyrischen Texten auswählen. Diese seien für einen Wettbewerb am LG von sieben Schülern und Ehemaligen verschiedenen Alters verfasst worden, erläutert Baun. Neun davon wurden von den Studierenden vertont. Dabei wurde jeder, der etwas eingereicht hatte, berücksichtigt. Als Lieder mit Pianobegleitung eingeübt wurden die Kompositionen von Studierenden der Liedklasse von Barbara Baun. Im „Kirchheimer Liederbuch“ seien die fertigen Werke zusammengefasst worden, erzählt die Dozentin. Für das Drucken dieser Büchlein würden noch Sponsoren gesucht.

Äußerst dramatisch klingt das, was Annalisa Orlando jetzt zum Gesang der Sopranistin Violetta Hellwig auf den Tasten spielt. Die Noten stammen von Alfredo de Vecchis. Sie drücken die Angst vor dem Verlust von Liebe und Leben aus, die die Gymnasiastin Katharina Cremers in ihrem Text „Inner demon“ beschreibt. „Die tiefen Register sind in der Komposition sehr präsent, passend zur düsteren Atmosphäre“, kommentiert Baun. Allerdings lassen die laut gespielten Bässe Orlandos Stimme in bestimmten Passagen fast untergehen, wie im Nachgespräch bemängelt wird. De Vecchis versichert, sich etwas einfallen zu lassen. Die Lieder seien zwar geschrieben, aber noch nicht gedruckt. Insofern könnten noch Änderungen vorgenommen werden, so Baun zu den Teilnehmern der Lieder-Werkstatt: außer den Studenten Acht- bis Zehntklässler aus dem Schwerpunkt Musik des LG, Oberstufenschüler aus dem Grundkurs Musik sowie rund 15 Jugendliche aus der AG Neue Musik von Silke Egeler-Wittmann.

Etwas provozieren wollte Paul Feldmann, der 2015 am LG Abitur gemacht hat, und beim Wettbewerb unter anderem „Hotelgedanken“ eingereicht hat. Er habe gedacht, dass man aus dem, was er da nachts in der Hotellobby ohne literarischen Anspruch verfasst habe, keine Musik machen könne, erläutert er schmunzelnd der RHEINPFALZ. „Doch Christoph Scheuer hat das ziellose Abwarten ganz toll vertont“, lobt er den Komponisten, der sich seinen Text ausgesucht hat.                                                                                                                                                                                                                                     

Die Rheinpfalz vom 29.7.2016                                                                     

„Jedes Wort genießen“                                                                             

Sieben junge Duos nehmen am Meisterkurs des Kirchheimer Liedersommers mit Professor Graham Johnson teil                                           

von Anja Benndorf                                                                                                   

Jedes Wort musst du genießen, du darfst nicht automatisch singen“, mahnt Professor Graham Johnson die Sängerin Lucia Revert. Die Spanierin, die nach einem Diplom in ihrer Heimat einen Masterabschluss in Gesang in Würzburg erworben hat, nimmt in dieser Woche mit Landsmann Fernando del Olmo in der Grundschule An der Pforte am sechsten Meisterkurs des Kirchheimer Liedersommers teil. Insgesamt haben sich sieben Duos für das Seminar angemeldet.

Mit dabei sind junge Sänger und Pianisten aus acht Ländern. Südkorea ist zweimal vertreten. „Wir haben an deutschen Musikhochschulen sehr viele Südkoreaner“, erläutert die Mitbegründerin des kleinen Kulturvereins Barbara Baun, die den Lehrgang unter dem Motto „Mit Staunen und Vergnügen“ maßgeblich organisiert hat. Der Meisterkurs findet stets unter anderer Leitung statt. „Begonnen haben wir 2007 mit Professor Jakob Stämpfli aus Bern“, erinnert sich Baun. Johnson, den sie zuvor nicht persönlich kannte, habe in einer langen E-Mail erklärt, was der Liedersommer sei, und er sei aus Großbritannien angereist, um die jungen Musiker zu unterrichten.“So einen Meisterkurs in einem kleinen Dorf ohne viel Geld auf die Beine zu stellen, ist eine enorme Herausforderung, und diese Initiative verdient große Unterstützung“, findet der gebürtige Rhodesier, der als 17-Jähriger nach London ging, um dort an der Royal Academy of Music zu studieren. 1976 gründete er den Songmakers‘ Almanac zur Wiederbelebung des Kunstliedes. Den Meisterkurs zu leiten, sei für ihn die Gelegenheit, mal in der Bundesrepublik zu sein, aus der das global verehrte Kulturgut stamme. „Ich bin als Europäer in ein Teil meines Landes gekommen. Der Brexit hat mir sehr weh getan“, so der 66-Jährige, der das gesamte Liedwerk von Franz Schubert (1797 bis 1828) mit namhaften Interpreten aufgenommen hat.

„Wenn die Sängerin in die Höhe steigt, muss man ihr wie ein Ballettpartner Hilfe geben“, gibt er del Olmo einen Ratschlag zum „Lied der Delphine“. Jetzt setzt sich Johnson selbst an die Tasten, unterbricht immer wieder für Erklärungen, lässt Passagen wiederholen, feilt an einzelnen Tönen und der Aussprache des Textes. Johnson betont, dass in jedes Wort genau das Gefühl zu legen sei, das der Verfasser ausdrücken wollte. Der Pianist dürfe Delphine nicht aus der Ferne begleiten, vielmehr müsse er sie tragen, die Interpretation mitgestalten.

„Der Kurs bringt mir unheimlich viel, denn Professor Johnson hat einen großen Erfahrungsschatz“, meint Revert, die an der Oper in Frankfurt eine Festanstellung im Chor hat. Ihr Partner, Absolvent der Meisterklasse Klavier der Uni Würzburg, mit dem sie seit rund vier Jahren ein Duo bildet, nickt: „Man kriegt eine Menge Ideen, wie man sich mit der Bedeutung des Textes beschäftigen und ihn musikalisch gestalten kann.“ Jeder der wechselnden Dozenten der Meisterkurse habe seinen individuellen Stil, sagt Baun und erzählt, dass sich unter den jungen Musikern, die sich bei den Seminaren kennenlernen, auch neue Konstellationen ergäben.

So begleitet die Ukrainerin Anna Anstett zum einen die deutsche Sopranistin Alina Wunderlin, zum anderen den aus Griechenland stammenden Bass Dionysios Tsaousidis, der heute in Stuttgart lebt. Jetzt singt er gerade einen Vers aus dem von Schubert vertonten Rückert-Gedicht: „Treib andern Schmerz aus dieser Brust! Voll sei dies Herz von deiner Lust.“ Graham Johnson unterbricht und erklärt an Anstett gewandt: „Da ist kein Akzent in den Noten. Man kann den Schmerz auch sanft vertreiben.“ Das Lied fordere innere Stille. Um in der Stimmung des Liedes zu bleiben, bedürfe es voller Konzentration, hebt der Professor hervor und lobt Tsaousidis für seine ausgezeichnete Atemtechnik. Aufgabe der Pianistin sei es, diese zu unterstützen, „so wie eine Welle den Surfer zum Strand trägt“.                                                                                                                                                                                                                                                           

Die Rheinpfalz vom 26.7.2016                                                                         

Mit Staunen und Vergnügen                                                                         

von Anja Benndorf                                                                                                     

Erstmals im Kirchheimer Liedersommer wird der Meisterkurs, der seit gestern mit Graham Johnson läuft, von einer Kunstausstellung mit Arbeiten von Schülern des Leininger-Gymnasiums (LG) umrahmt. Derzeit sind in der Grundschule An der Pforte Gemälde und Plastiken zu bestaunen, die Kinder und Jugendliche zwischen den Klassenstufen sieben und zwölf angefertigt haben. Da hängen Stillleben mit plastischen Elementen wie Strohhalmen oder Luftschlangen. In der Oberstufe sind Landschaftscollagen kreiert worden, etwa Hügel aus Motorradtanks. Lebendig und plastisch ist das Acrylbild „Ich“, auf dem naturalistisch ein junges Mädchen in einem gelben Kleid dargestellt ist. Ausgewählt wurden die Arbeiten laut Kunstlehrerin Ulrike Fingerle auch mit Blick auf das Thema „Mit Staunen und Vergnügen“. Die Kooperation mit dem LG hat sich durch einen Workshop ergeben, in dem Studierende der Musikhochschule Mannheim mit Texten von Grünstadter Gymnasiasten Lieder komponiert haben. Das Ergebnis ist am Donnerstag, 28. Juli, 19.30 Uhr, beim Werkstattkonzert im Weingut Kolb zu erleben. Eintritt frei. abf

 


- AKTUELL! -

Termine 2023

Sonntag, 03.09.2023
18.00 Uhr Eröffnungskonzert

Christoph Prégardien, Tenor
Barbara Baun, Klavier

"Nacht und Träume"

Eintritt frei, um Spenden wird gebeten
Protestantische Kirche Kirchheim

Montag, 04.09. bis Freitag, 08.09.2023

öffentlicher Meisterkurs
10.00 – 13.00 Uhr
14.30 – 17.30 Uhr

Eintritt frei, um Spenden wird gebeten
Protestantische Kirche Kirchheim

Mittwoch, 06.09.2023
19.30 Uhr Werkstattkonzert

„Ein Sommer. Eine Nacht. Ein Traum.“
Uraufführungen und andere traumhafte Lieder

SchülerInnen des Leininger-Gymnasiums Grünstadt
Studierende der Musikhochschule Mannheim

Eintritt frei, um Spenden wird gebeten
Protestantische Kirche Kirchheim

Samstag, 09.09.2023
18.00 Uhr Abschlusskonzert

„LiederSommerNachtsTraum“

TeilnehmerInnen des öffentlichen Meisterkurses

Eintritt frei, um Spenden wird gebeten
Protestantische Kirche Kirchheim

Kontakt

Kirchheimer Liedersommer e. V.
Bissersheimer Str.6
67281 Kirchheim Wstr.
Tel.: 06359/2090536
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